leschaco logo
RAS Cargo und Luftsicherheit

Mehr Sicherheit im RAS-Cargo durch wichtige Verfahrensänderungen

Es gibt wichtige aktuelle Änderungen im RAS-Cargo, die ich im Folgenden vorstellen werde. Frankreich hat dabei eine Vorreiterrolle übernommen. Es geht um Änderungen, die die Sicherheit im Güterverkehr per Luftfracht künftig erhöhen werden. Schließlich wird ein nicht unerheblicher Teil der weltweit transportierten gefährlichen Güter heute per Flugzeug transportiert.

Ein Standard – verschiedene Interpretationen

Ich rede im Folgenden vor allem von den Zuständen im europäischen Luftverkehr. Aber vieles davon ist auch auf andere Kontinente übertragbar. Die Harmonisierungsdefizite im internationalen Handel ähneln sich ja, egal, ob wir von Europa, von Asien oder den Amerikas reden. Basis für die Luftsicherheit in Europa ist die Durchführungsverordnung 2015/1998 der Europäischen Union mit dem Titel „Festlegung detaillierter Maßnahmen für die Durchführung der gemeinsamen Grundstandards für die Luftsicherheit“. Der Titel lässt vermuten, dass wir innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten einen gemeinsamen Standard der Luftsicherheit haben und harmonisiert arbeiten. Schließlich wird auf 142 Seiten die Sicherheit von Personen, Flughäfen, Flugzeugen, Fracht und vielem mehr definiert.

Ein Blick in die Praxis lässt jedoch schnell erkennen, dass diese Vermutung weit gefehlt ist. Im Grunde beschränkt sich der gemeinsame Standard nämlich auf das Verständnis, wann Fracht sicher oder unsicher ist. Der weitaus spannendere Teil ist jedoch, wie Fracht sicher oder unsicher wird. Wenn ich mir dazu ein Prozessdiagramm vorstelle, hat dieses sehr viele Abzweigungen mit verschiedenen Optionen und Szenarien. Es ist ein sehr komplexer Prozess und es steht ein ganzes Sortiment an Sicherungskontrollmethoden zur Verfügung, um unsichere Fracht sicherzustellen. Dabei ist jede Sendung individuell zu betrachten und gerade deshalb ist es so spannend.

Eine teils sehr unterschiedliche Umsetzung der eingangs genannten Durchführungsverordnung in den EU-Mitgliedsstaaten führt allerdings zu unterschiedlichen Bestimmungen wie Fracht als sicher oder als unsicher angesehen wird. Sozusagen ein EU-weiter Standard mit verschiedenen nationalen Interpretationen. In der Praxis kann dies durchaus kontroverse Konsequenzen haben. So kann zum Beispiel eine Sicherheitskontrollmethode, die in Land A erlaubt ist, in Land B gar nicht oder nur beschränkt erlaubt sein. Wir werden gleich sehen, dass es sich bei RAS-Cargo um genaus einen solchen Standard handelt, der in den Ländern völlig unterschiedlich ausgelegt wird.

Doch es gibt positive Entwicklungen. Die Gesetzeslage in den EU-Mitgliedsstaaten scheint sich langsam aber sicher anzugleichen, weil Behörden sich untereinander austauschen und ihre Richtlinien abgleichen. Im Rahmen dieser Harmonisierungsbestrebungen sind die aktuellen Änderungen der RAS-Cargo-Sicherungskontrollmethoden zu interpretieren, die in Frankreich beschlossen wurden.

Was ist RAS-Cargo und warum ist dies von Bedeutung?

RAS-Cargo ist eine Sicherungskontrollmethode, bei der Luftproben von geschlossener Fracht entnommen und in speziell entwickelten Filtern aufgefangen werden. Anschließend wird der Filter trainierten Hunden vorgelegt, welche durch Schnüffeln am Filter erkennen können, ob verbotene Substanzen wie Sprengstoffe oder Betäubungsmittel enthalten sind. Dabei vergleichen die Hunde den Geruch mit Vergleichsmustern. Der Hund schnüffelt am Filter mit der Probe und schnüffelt anschließend an mehreren Vergleichsmustern und zeigt eine Geruchsprobe an, die als „Merker“ dient, die also riecht wie der identifizierte Gefahrstoff.

Odorolie
Ein speziell ausgebildeter Hund erschnüffelt Geruchsproben, die über ein Rohrleitungssystem aus einem Lager in einen Trainingsraum geführt werden.

Für Versender von Gefahrgütern oder Chemikalien spielt diese Methode eine wichtige Rolle, weil viele dieser Substanzen nicht durch andere Kontrollen, wie z.B. Röntgen, gesichert werden können. Dies liegt daran, dass besagte Substanzen (z.B. Flüssigkeiten, Pulver, Pasten, Granulate oder Feststoffe) oftmals in hermetisch versiegelten Behältern (z.B. aus Plastik oder Metall) verpackt und transportiert werden. Die oben genannte Kombination aus Substanz und Behälter führt bei Röntgengeräten mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zu einem dunklen Röntgenbild, weil die Röntgenstrahlen das Gebinde nicht durchdringen können. Man spricht von einem sogenannten Dunkelalarm. Vereinfacht gesagt: Man kann nicht feststellen, ob verbotene Substanzen enthalten sind.

Ein Öffnen der Behälter ist ebenfalls nicht möglich (da hermetisch versiegelt), wodurch auch weitere Kontrollmethoden wie das „Sniffen“ (Explosive Trace Detection) oder das Durchsuchen per Hand (Hand Search) ausscheiden. Es bleibt daher meistens nur das RAS-Verfahren übrig.

Deutschfranzösischer Frachttourismus: Ist das RAS-Verfahren zuverlässig?

Doch RAS-Cargo ist durchaus ein umstrittenes Verfahren. In Expertenkreisen herrscht keine Einigkeit, ob man den Inhalt eines hermetisch versiegelten Behälters tatsächlich erschnüffeln kann. Schließlich tritt keine Luft und somit auch keine Partikel von verbotenen Substanzen ein oder aus. Dies ist auch einer der Gründe, warum die in Deutschland zuständige Behörde, das Luftfahrt Bundesamt (LBA), seit Juli 2019 das RAS-Verfahren für Fracht verboten hat, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Dunkelalarm verursacht. Solche Fracht ist in Deutschland somit nicht mehr sicherstellbar.

Der Blick fällt nach Frankreich. Dort erlauben die zuständigen Behörden das RAS-Verfahren weiterhin. Nun ist es aber unwahrscheinlich, dass Hunde in Frankreich eine feinere Nase haben als in Deutschland. Trotzdem kann der Sicherheitsstatus, der in Frankreich vergeben wurde, auch in anderen EU-Ländern anerkannt werden. Die EU-Durchführungsverordnung 2015/1998 zur Schaffung gemeinsamer Standards macht dies möglich. Deshalb wird seit Juli 2019 unsichere Fracht per Lastwagen von Deutschland nach Frankreich befördert, dort durch RAS-Cargo sichergestellt und dann wieder nach Deutschland befördert, damit es dort mit dem Status „sicher“ in das Flugzeug verladen werden kann. Nicht umsonst spricht man bei RAS-Cargo auch gerne von „Frachttourismus“.

Dunkelalarm
"Dunkelalarm": In einem Röntgenscanner für Gepäck kann ein hermetisch verschlossener Behälter nicht identifiziert werden.

Wichtige Änderung beim RAS-Verfahren in Frankreich: Kein RAS-Verfahren mehr bei Großbehältern

Nun gaben französische Behörden im vergangenen November bekannt, dass eigene Studien beim RAS-Verfahren in Zusammenhang mit hermetisch versiegelten Behältern mit mehr als 25 Liter Volumen zu dem Ergebnis führten, dass Sprengstoffhunde nicht zuverlässig alle verbotenen Inhalte erschnüffeln konnten. Der deutsche Schäferhund kann aufatmen – sein Geruchssinn ist seinen französischen Kollegen also doch nicht unterlegen.

Die Ergebnisse wurden der Europäischen Kommission zur Prüfung vorgelegt. Unabhängig von deren Ergebnis, hat Frankreich bereits Änderungen verabschiedet. Zusammengefasst besagen diese, dass ab dem 01.10.2024 keine hermetisch versiegelten Behälter größer 25 Litern mit dem RAS-Verfahren sichergestellt werden dürfen. Bereits ab dem 01.04.2024 greift eine Übergangsregelung, welche das RAS-Verfahren bis Oktober nur noch erlaubt, wenn der Versender eine schriftliche Genehmigung der französischen Behörde für Luftsicherheit (DSAC) vorliegen hat.

Ab dem 01.10.2024 ist RAS-Cargo dann nur für Gebinde kleiner 5 Litern in Frankreich zugelassen. Größere Gebinde bis 25 Litern können nur noch mit Röntgen sichergestellt werden. Tritt jedoch ein Dunkelalarm auf, ist keine weitere Sicherungskontrollmethode zulässig – mit der strikten Konsequenz, dass kein Versand per Luftfracht erfolgen darf.

RAS Cargo new regulations 2024
Eigene Darstellung in Anlehnung an ein Schreiben der DSAC vom 16.01.2024

Endlich scheint der Weg frei, dass Frankreich mit der Verschärfung der Regularien anderen EU-Mitgliedsstaaten wie Deutschland oder Holland gleichzieht und die Verfahren zur Gewährleistung von Luftsicherheit weiter harmonisiert werden. Dies sorgt einerseits für mehr Transparenz der innereuropäischen Prozesse, was die Praxis für beteiligte Akteure erleichtert: gleiches Vorgehen in allen Ländern. Anderseits wird der Sicherheitsgedanke in der Europäischen Union gestärkt, was uns allen zugutekommt. Denn die meisten von uns sind früher oder später Passagier an Bord eines Flugzeuges und möchten, dass dessen geladene Fracht sicher ist.

Implikationen auf die Supply Chain

Die Tendenz am Markt bzw. bei den zuständigen Behörden ist klar: Fracht soll bereits die Produktionsstätte des Versenders bzw. dessen Lager (egal ob eigenes Lager oder betrieben durch einen 3PL) in einem sicheren Zustand verlassen. Dann sind keine zusätzlichen Sicherheitskontrollmethoden nötig. Dies ist der Idealfall. Oder besser gesagt: der „sicherste“ Fall. Dafür ist eine Zertifizierung als bekannter Versender (Known Consignor) nötig, welche an strikte Vorgaben der zuständigen Behörden geknüpft ist. Unter anderem muss der ganze Betriebsstandort sicherheitstechnisch ausgerüstet werden (Außenbereich, Hof, Gebäude, Produktionsstätte etc.) und das Personal benötigt spezielle Sicherheitsschulungen. Ein Sicherheitsbeauftragter muss regelmäßig entsprechende Kontrollen durchführen, damit die Einhaltung aller Auflagen jederzeit gewährleistet ist.

Der findige Akteur könnte nun seinen Blick auf andere europäische Länder richten, welche das RAS-Verfahren immer noch in größerem Umfang erlauben. Doch dies wird nur eine kurzfristige Lösung sein, um sich Zeit zu erkaufen. Denn gewiss werden andere nationale Behörden mit ihren Reglementierungen bald gleichziehen. Zudem steht das Ergebnis der Prüfung durch die Europäische Kommission noch aus und es wäre doch sehr überraschend, wenn seitens der EU eine umstrittene und vermeintlich nicht komplett zuverlässige Sicherungskontrollmethode am Leben erhalten würde. Dies steht im klaren Konflikt mit dem Ziel gemeinsame Grundstandards für Luftsicherheit zu etablieren.

Wer zukünftig Gefahrgut bzw. Chemikalien per Luftfracht versenden will, muss sich daher noch sorgsamer mit der Planung seiner Supply Chain befassen und die verschiedenen Lösungsansätze kritisch diskutieren denn eine Lösung im Stil „one size fits all“ gibt es nicht.

Illustrationen: khairulz – adobe stock.com; leschaco unter Nutzung von diy13 – adobe stock.com; Leschaco unter Nutzung von KI Adobe Firefly am 15.04.2024; Leschaco 2024.

Weitere interessante Artikel

Gefahrguttransport im Luftverkehr
Michael Kausch

Lithiumbatterien – Ein IATA-White Paper zum Gefahrguttransport im Luftverkehr

Lithiumbatterien sind ein Gefahrgut. Das wissen wir nicht erst seit der Katastrophe des Transportschiffs „Felicity Age“, das im Frühjahr 2022 nach einem Großbrand vor den Azoren in den Fluten des Nordatlantiks versank, mutmaßlich nachdem eine Lithium-Ionen-Batterie im Ladegut in Brand geraten war. Schiffsunglücke mit Lithium-Batterien füllen nahezu regelmäßig Leitmedien und die Bücher der Versicherungsgesellschaften. Aber natürlich beschäftigt sich auch die Luftfahrt-Logistik mit den Risiken, die von Batterien ausgehen. So hat jetzt die International Air Transport Association (IATA) ein White Paper mit dem schönen Titel „Make Lithium Batteries safe to ship“ veröffentlicht. Das Papier beschäftigt sich mit Zwischenfällen mit Lithiumbatterien und mit Möglichkeiten, wie man die Batterielogistik im Luftverkehr sicherer machen kann. Wir haben uns dieses Dokument für die Leserinnen und Leser des Gefahrgut-Blogs von Leschaco einmal angesehen.

Weiterlesen »
Kontraktlogistik
Sebastian Haebler

Aktuelle Herausforderungen in der Kontraktlogistik

Kontraktlogistik und Gefahrgutlogistik gehören für Leschaco zusammen wie Butter und Brot. Denn Kontraktlogistik spielt ihre Stärken immer dort aus, wo es um komplexe Prozesse geht, wo es nicht reicht, Waren einfach von A nach B zu transportieren, sondern wo profundes Wissen notwendig ist, um komplizierte Logistikketten in ihrer Gänze zu überschauen und unter Kontrolle zu halten, wo sich wirklich an keiner Stelle des Prozesses ein Fehler einschleichen darf, damit nicht der komplette Prozess in Gefahr gerät. Und wo, wenn nicht beim Transport von gefährlichen Gütern, hängt nicht alles von Allem ab? Michael Clover, Head of Commercial Development der Transport Intelligence Ltd. stellt uns exklusiv die wichtigsten Ergebnisse des aktuellen Global Contract Logistics Report 2023 vor.

Weiterlesen »
Gefahrgut Kunststoffgranulat
Thomas Liberoudis

Kunststoffe – Der Wandel vom Rohstoff zum Gefahrgut?

Kunststoffe – Der Wandel vom Rohstoff zum Gefahrgut? Aus unzähligen Medienberichten erfahren wir von der täglich zunehmenden Verschmutzung der Weltmeere durch Kunststoffe. Allgegenwärtig sind die Bilder von Delfinen und Meeresschildkröten, die sich in weggeworfenen Resten von Kunststoffnetzen verfangen, von Plastikmüll überzogenen Korallenriffen und vermüllten Stränden. Selbst in den entferntesten Polarregionen und den tiefsten Gräben der Ozeane werden die Abfälle unserer

Weiterlesen »

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert