leschaco logo
Gefahrgut Kunststoffgranulat

Kunststoffe – Der Wandel vom Rohstoff zum Gefahrgut?

Aus unzähligen Medienberichten erfahren wir von der täglich zunehmenden Verschmutzung der Weltmeere durch Kunststoffe. Allgegenwärtig sind die Bilder von Delfinen und Meeresschildkröten, die sich in weggeworfenen Resten von Kunststoffnetzen verfangen, von Plastikmüll überzogenen Korallenriffen und vermüllten Stränden. Selbst in den entferntesten Polarregionen und den tiefsten Gräben der Ozeane werden die Abfälle unserer Wohlstandsgesellschaft gefunden.

Doch das ist nur der auf den ersten Blick sichtbare Teil der Verschmutzung. Seit kurzem rücken die Rohstoffe der kunststoffverarbeitenden Industrie mehr und mehr in den Fokus. Diese Rohstoffe bestehen aus Kunststoffen in Form von Granulaten, Flocken oder Pulvern. Sie werden häufig in großen Mengen transportiert; entweder in flexiblen IBC oder in Bulkcontainern bzw. Silofahrzeugen. Solange diese Produkte in intakten Verpackungen zwischen Versender und Empfänger transportiert werden, geht keine Gefahr von der Ware aus, denn die Stoffe entsprechen keinen Gefahrgutkriterien der UN Model Regulations.

Kunststoffe als (un)sichtbare Gefahr

Kritisch wird es bei besonderen Ereignissen und deren Auswirkungen, wie beschädigten Verpackungen beim Warenumschlag oder bei Transportunfällen. Die Freisetzung der Materialien in die Umwelt muss hierbei unbedingt vermieden werden. Kunststoffe sind nicht oder nur in geringem Umfang biologisch abbaubar. Gelangen sie in Bäche, Flüsse und schließlich ins Meer, beginnen verschiedene Abläufe, die je nach Umfang der Freisetzung zu großen Umweltschäden führen können. Durch Abrieb und Erosion zerbrechen die Kunststoffe in immer kleinere Bruchstücke. Meereslebewesen nehmen die auch als Mikroplastik bezeichneten Partikel, die eine Größe zwischen 1000 Nanometern und 5 Millimetern haben können, auf und tragen dadurch über die Nahrungskette dazu bei, dass auch wir Menschen nachweisbar Mikroplastik in unseren Körpern haben. Laut einer WWF-Studie sind das etwa fünf Gramm pro Kopf und Woche, was ungefähr dem Gewicht einer Kreditkarte entspricht. Die Forschung ist sich derzeit über die gesundheitlichen Auswirkungen auf den Menschen noch uneinig.

Reduktion der Kunststoffe im Alltag

Die Kunststoffindustrie versucht, über die Teilnahme an der freiwilligen Initiative „Operation Clean Sweep“ die Menge der tatsächlich in die Umwelt freigesetzten Kunststoffpartikel zu reduzieren. Neben der Industrie werden auch Lagerhaltungsbetriebe und Logistiker damit adressiert. Mit wenigen, überschaubaren Maßnahmen kann jeder Beteiligte einen Beitrag zum Umweltschutz leisten. SQAS-bewertete Unternehmen in Europa kennen diese Initiative bereits von den regelmäßigen Assessments.

Sicherer Umgang mit Kunststoffen auch in der Seelogistik

Auch im internationalen Seeverkehr sind Änderungen in Sicht. Ein besonderer Aufhänger für aktuelle Diskussionen rund um die Freisetzung von Kunststoffrohmaterialien sind jüngste Havariefälle, bei denen Frachtschiffe unweit der Küste sanken. Teilweise waren auf diesen Transportschiffen hunderte Container mit Kunststoffpellets verladen. Infolge der Havarie wurden Berichten zufolge bis zu 75 Milliarden Kunststoffpellets mit einem Gesamtgewicht von ca. 1700 Tonnen ins Meer gespült. Solche Partikel lösen laut UNO größte Plastikverschmutzungen aus. Besonders trifft es dann Anrainer-Länder, die fast oder überwiegend vom Fischfang leben.

Mikroplastik am Strand
Mikroplastik verschmutzt auch nach Schiffsunglücken weltweit unsere Strände.

Durch die geringen Abmessungen der Partikel ist eine vollständige Reinigung betroffener Küsten- und Meeresbereiche schwierig, langwierig und kostspielig. Nach Ansicht von Fachleuten werden noch in vielen Jahren Rückstände der Ladung zu finden sein.

Welche Änderungen werden erwartet?

Bei der International Maritime Organization – IMO und in den Gremien der Mitgliedstaaten werden aktuell Anträge geprüft, die sich mit dem Seetransport von Kunststoffmaterialien beschäftigen. Ziel dieser Anträge sind die Einführung vorbeugender Sofortmaßnahmen und zusätzlichen langfristige Sicherheitsvorschriften für den Seeversand. Diskutiert wird, ob das „Sub-Committee on Carriage of Cargoes and Containers“ eine Handlungsempfehlung zu diesem Thema veröffentlichen soll. Als denkbare Sofortmaßnahmen gelten:
  • Buchung der Ladung bei der Reederei als Kunststoffgranulat, damit alle Beteiligten wissen, worum es sich handelt,
  • Stauung der Container unter Deck, um zumindest das Überbordgehen zu verhindern.
  • Meldepflichten gegenüber den Behörden.

Zukünftig ist es möglich, dass die Granulate auch direkt in den IMDG Code aufgenommen werden. Das kann beispielsweise durch eine eigene, neue UN-Nummer in der Klasse 9, welche nur für den Seeverkehr gelten würde, oder durch feste Zuordnung zu den „umweltgefährdenden Stoffen“ der UN 3077 erfolgen. Durch die Aufnahme in den IMDG Code müssten weitere sicherheitsrelevante Punkte beachtet werden; hierzu zählen die Gefahrgutdokumentation, die vorgeschriebene und UN-zugelassene Verpackung und die Kennzeichnung der Container. Dadurch können zusätzliche Pflichten auf die Versender und auf die Beteiligten der Transportkette zukommen.

Illustrationen: Susanne Fritzsche – stock.adobe.com und digitalstock – stock.adobe.com

Weitere interessante Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert