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Oliver Oestreich

Gefahrgutlogistik ist eine Frage des Vertrauens. Oliver Oestreich im Interview - Teil II.

Vor ein paar Tagen traf ich mich mit Oliver Oestreich, COO der Leschaco Gruppe, zu einem Gespräch über aktuelle Herausforderungen in der Gefahrgutlogistik. Im ersten Teil ging es u.a. um Entwicklungen in der Spezialchemie, um Globalisierung, Logistik-Software und um wichtige Zertifikate für Logistiker. Im zweiten Teil dreht sich nun alles um Wissensmanagement, Batterielogistik und den Zukunftsmarkt Abfalllogistik.

Nichts veraltet schneller als das Wissen um Sicherheit.

Michael Kausch

Was tut Leschaco, damit das notwendige Spezialwissen für Gefahrgut-Logistik immer aktuell auf dem neuesten Stand ist?

Oliver Oestreich

Das Wichtigste ist, dass sich unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter laufend fortbilden. Nichts veraltet schneller als das Wissen um Sicherheit. Das gilt für Logistik-Vorgaben nicht anders als für IT-Sicherheit.
Zum anderen geht es natürlich um regionales Wissen. Unsere Competence-Center in den Regionen mit den ortsansässigen Gefahrgutspezialisten stellen sicher, dass unter Einsatz unserer eigenen Software eine lückenlose Kontrolle aller Gefahrgutprozesse erfolgt. Diese Spezialisten sind immer auch Kommunikationsexperten. Sie übernehmen die Kommunikation mit den lokalen Behörden, den Partnern der Supply-Chain und dem Leschaco-Netzwerk. Dabei berücksichtigen sie alle regionalen Vorschriften. Niemand kann heute alle Vorschriften im Kopf haben, die irgendwo auf der Welt gültig sind. In Südamerika gibt es mitunter andere landesspezifische Sicherheitsvorschriften für den Transport per LKW, Bahn oder Binnenschiff als in Europa oder in Asien. Das muss gar nicht heißen, dass dabei die eine Region besser ist als die andere. Sie regeln nur bestimmte Dinge anders.

Michael Kausch

Welche Rolle spielen die Kunden in diesem Sicherheitsnetzwerk der Gefahrgutlogistik?

Oliver Oestreich

Da sprechen Sie einen ganz entscheidenden Punkt an. Sicherheit gibt es nur, wenn die komplette Logistikkette über einen hohen Sicherheitsstandard verfügt; von der Kennzeichnung der Güter und deren Verpackung und Verladung, über den Transport bis zum Entladen. Deshalb schulen und beraten wir unsere Kunden in allen Gefahrgut- und Abfallfragen wie etwa der Klassifizierung, Verpackung, Kennzeichnung oder der Dokumentation.

Michael Kausch

In Abfallfragen? Sie betreiben Abfalllogistik? Ich dachte, Leschaco kümmert sich nur um den Transport von Waren. Ist Leschaco denn auch ein „Entsorgungsunternehmen“?

Oliver Oestreich

Nein, Leschaco ist natürlich kein Entsorgungsunternehmen. Aber auch die Entsorgung von gefährlichen Gütern beginnt ja mit ihrer Kennzeichnung, mit der Verpackung und dem sicheren Transport zur Endlagerung oder Vernichtung. Unser International Waste Logistic Department, das Leschaco IWLD, ist mit den einschlägigen Vorschriften und Verfahren der Abfallbeseitigung bestens vertraut, etwa mit dem Baseler Übereinkommen von 1989, das klare Verhaltensregeln über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und deren Entsorgung definiert.
Das IWLD von Leschaco betreut und organisiert grenzüberschreitende Transporte von gewerblichen und industriellen Abfällen. Dabei wickeln wir den Transport inklusive Im- und Export von gefährlichen Reststoffen ab und wählen, je nach den spezifischen Anforderungen, die geeigneten Verkehrsträger.

Warten Sie mal Herr Kausch – wenn ich mir das recht überlege, sind wir vielleicht doch ein Entsorgungsunternehmen. Irgendwie haben Sie recht. Schließlich nehmen wir unseren Kunden die Sorgen ab, die mit der sicheren und rechtssicheren Entsorgung von Abfällen verbunden sind. Falls ein Unternehmen diese Arbeiten dann aber doch lieber selbst übernehmen möchte, unterstützen wir natürlich bei der Erstellung der notwendigen Unterlagen. Ein klar definiertes Dokumentationsverfahren stellt die Transparenz der Transportabläufe sicher. Und auch den begleitenden Informationsaustausch mit Behörden, Dienstleistern, Kunden und deren Partnern übernehmen die Waste Logistics-Spezialisten der Leschaco Gruppe. Unsere Kunden sollen sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren. Wir räumen dann den Müll weg. Sicher, mit unseren Abfalllogistik-Spezialisten, also unseren Entsorgern.

Michael Kausch

Ich könnte mir vorstellen, dass das ein ausgesprochen spannender Zukunftsmarkt ist.

Batterielogistik ist Abfalllogistik und Gefahrgutlogistik.

Oliver Oestreich

Da liegen Sie völlig richtig. Das Thema Abfalllogistik sehen wir als einen der spannendsten Zukunftsmärkte an. Nehmen Sie als Beispiel den Bereich Batterie-Logistik. Durch die Elektrifizierung des Individualverkehrs wird der Bedarf an Lithium-Ionen- und Natrium-Ionen-Batterien in den nächsten Jahren massiv wachsen. Allein die weltweite Produktionsmenge von Lithium-Ionen-Batterien wird sich bis 2030 auf rund 9 TWh verneunfachen. Nach spätestens zehn Jahren müssen diese Batterien in der Regel recycled werden. Derzeit gibt es kaum logistische Lösungen für Altbatterien. Sie sind nach dem Basler Übereinkommen Abfall und ihr Transport und das gesamte Handling bedürfen komplexer Genehmigungsverfahren. Batterielogistik ist auch Abfalllogistik und Gefahrgutlogistik. Das können nur wenige. Wir können das.

Michael Kausch

Bei der Abfalllogistik wird schon deutlich, dass der Begriff Sicherheit mehrdeutig ist: es geht meistens nicht nur um Sicherheit vor Unfällen und um Sicherheit für Mensch und Umwelt bei Unfällen, sondern immer auch schon um Sicherheit im Sinne eines nachhaltigen Umwelt- und Gesundheitsschutzes. In diesem Zusammenhang taucht häufig der Kürzel „HSEQ“ auf. Was steckt hinter diesem Zauberwort genau?

Oliver Oestreich

HSEQ steht für Health, Safety, Environment and Quality, also für Gesundheitsfürsorge, Sicherheit, Umweltschutz und Qualitätsmanagement. Das sind ja alles qualitative Dimensionen eines nachhaltigen Managements. Es geht stets um den optimalen Schutz von Mensch und Umwelt, und zwar heute und für die künftigen Generationen. HSEQ ist kein Standard, den man einmal erreicht hat. Das ist aber auch nicht nur ein unverbindliches Ziel. HSEQ ist vielmehr ein ganzes Bündel an konkreten Maßnahmen und ein strategischer Leitpfad, auf dem wir uns vorwärtsbewegen und unser Unternehmen und unser Geschäft und unsere Technologien weiterentwickeln.

Neben den integrierten Qualitäts- und Umweltmanagementsystemen ISO 9001 und 14001, gewinnen die Bereiche Sicherheit sowie Gesundheit und Ethik zunehmend für uns an Bedeutung. Sie sind heute untrennbarer Teil unseres unternehmerischen Handelns und die Grundlage für das Erfüllen anspruchsvoller Dienstleistungen weltweit, und zwar auf allen Ebenen und in allen Abteilungen des Unternehmens.

Unser Nachhaltigkeits-Management wurde von EcoVadis, einer unabhängigen Agentur für die Bewertung der CSR-Performance von Unternehmen, mit dem Silber-Status ausgezeichnet. Mit diesem Ergebnis zählt Leschaco zu den 30 Prozent der Top Unternehmen, die von EcoVadis weltweit bewertet wurden. Immerhin mehr als 90.000 Unternehmen aus mehr als 160 Ländern und 200 Branchen wurden bisher bewertet. Aber klar ist auch: Silber ist gut, aber nicht das Ende des Medaillentreppchens. Wir wollen und werden uns da immer weiterentwickeln.

Sie sehen: Sicherheit ist ein kleiner, aber ungeheuer wichtiger Baustein in unserer Unternehmensphilosophie. Das ist nicht irgendein Feature oder ein isoliertes Ziel oder gar Vertriebsargument. Irgendwie dreht sich bei Leschaco alles um Sicherheit. Ständig.

Michael Kausch

Dann werden wir uns sicher in ein paar Monaten wieder zu einem weiteren Gespräch treffen.

Oliver Oestreich

In ein paar Monaten treffen Sie besser meinen Nachfolger Nils Fahrenholz. Er wird im April meine Tätigkeit als COO in der Geschäftsführung der Leschaco Gruppe übernehmen. Nach mehr als zwanzig tollen Jahren bei Leschaco ziehe ich mich dann in den Ruhestand zurück. Nils Fahrenholz ist übrigens schon an Bord und arbeitet sich intensiv ein. Für ihn hat Sicherheit den gleichen hohen Stellenwert wie für mich. Sie treffen ihn „mit Sicherheit“.

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