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Spielwaren als Gefahrgut

Gefahrgut im Kinderzimmer. Warum Spielwaren immer häufiger auf Gefahrgut-Listen auftauchen.

Immer häufiger warnen nicht nur Verbraucherschützer, sondern auch Sicherheitsexperten der Logistikindustrie vor gefährlichen Spielwaren. Häufig geht es dabei um billiges Spielzeug aus chinesischer Fertigung. Die allermeisten in China hergestellten Waren sind nicht schlechter als die Produkte aus anderen Regionen der Welt. Aber da heute rund 80 Prozent der in den USA und Europa verkauften Spielwaren aus China kommen, stammen auch die meisten gefährlichen Spielzeuge aus diesem Land.

Unter gefährlichen Spielwaren versteht man solche, die zum Teil gefährliche elektronische Bauteile, Batterien in unsicherem Ladezustand oder gar giftige Chemikalien enthalten. Das Spielzeug wird direkt aus China nach Europa oder in die USA verschickt, obwohl es den Vorschriften in den Empfängerländern für sicheres Spielzeug nicht entspricht. Dabei wird häufig gegen Deklarierungsvorschriften für Transport und Einfuhr verstoßen.

Das Einfallstor für gefährliches Spielzeug sind die De-Minimis-Regeln

Produkte, die direkt online gekauft werden, werden auf dem Weg vom Hersteller zum Konsumenten häufig nicht kontrolliert, jedenfalls nicht, wenn ihr Wert unter dem Schwellenwert liegt, der eine Prüfung erforderlich macht. Solche preiswerten Produkte unterliegen besonderen Regeln der Zoll- und Grenzbehörden. Für die Einfuhr in die USA sind dies die sogenannten „De-Minimis“-Regeln, für den Import in die Europäische Union die Regeln für „Sendungen mit geringem Wert“ nach Artikel 23 und 24 der Zollbefreiungsverordnung. Diese Regeln sehen vor, dass Waren, deren Wert unterhalb einer bestimmten Grenze liegt, zollfrei gehandelt werden dürfen. Diese Warenpakete werden dann bei der Einfuhr in der Regel auch nicht kontrolliert.

Für die USA liegt der Grenzwert für Waren, die unter die De-Minimis-Regelung fallen, derzeit bei 800 US-Dollar. Jedes Paket, dessen Inhalt als billiger deklariert wird, wird grundsätzlich unkontrolliert eingeführt. Für die Europäische Union gilt eine Wert-Grenze von 150 Euro. Waren mit einem niedrigeren Wert werden grundsätzlich nicht kontrolliert und können zollfrei eingeführt werden, unterliegen aber weiterhin der Umsatzsteuer. Ausgeschlossen hiervon sind lediglich Alkohol, Tabakwaren und Parfüms.

Jahr für Jahr nimmt der Handel mit zollfreien Waren international zu. Dies ist der wachsenden Beliebtheit des Online-Shoppings, dem aggressiven Marketing internationaler Verkäufer und nicht zuletzt den lückenhaften Gesetzen in den Bestimmungsländern zu verdanken.

Allein für die USA ist in den letzten zehn Jahren ist die Zahl der internationalen Sendungen, die wegen Geringwertigkeit von Zollkontrollen ausgenommen sind, von 140 Millionen pro Jahr auf fast eineinhalb Milliarden Stück jährlich gestiegen. So erreichen heute täglich rund vier Millionen geringwertige Paketsendungen die USA, weitgehend ohne Zollkontrolle., darunter zahlreiche Spielwaren. (Quelle: compactmag)

Betrüger umgehen gerne den Zoll

Diese großzügigen Einfuhrregeln werden natürlich auch von Betrügern ausgenutzt. Häufig werden unter den De-Minimis-Regeln Produkte importiert, die den gesetzlichen Regeln in den Zielländern nicht entsprechen. Immer wieder werden auch falsche Angaben über den Inhalt von Warensendungen gemacht. Versender geben beispielsweise an, dass eine Sendung Haushaltswaren enthält, obwohl sie in Wirklichkeit Spielzeug enthält. Für Haushaltswaren mit geringem Wert ist in vielen Regionen die Zollabwicklung gegenüber Spielwaren nochmals vereinfacht. Um nicht kontrolliert zu werden, wird der Wert der einzelnen Ware vom Hersteller zu niedrig angegeben.

Die Consumer Product Safety Commission (CPSC) der USA hat von Januar bis Juli 2024 1.020 Verstöße gegen die Einfuhrbestimmungen der US-Zollbehörden gezählt. Etwa 800 davon betrafen Spielzeug. Zu den Spielwaren, für die Verstoßbescheide ausgestellt wurden, gehörten zum Beispiel Spiele, Baby-Beschäftigungsbretter, Lernspielzeug, Kinderschmuck, Bauklötze, Plastik-Reitspielzeug, Beißringe für Babys und Plüschtiere. (Quelle: U.S.PIRG Education Fund)

Zu Betrugsversuchen kommt es auch an den Außengrenzen der Europäischen Union. Ein Beispiel aus Belgien recherchierten Journalisten des deutschen Fernsehsenders SWR im vergangenen Frühjahr:

„Der belgische Regionalflughafen Lüttich ist mittlerweile einer der größten Luftfrachtumschlagplätze Europas. Täglich kommen hier mehr als eine Million kleine Päckchen aus China an. Ein Großteil davon geht weiter nach Deutschland. (…) Zollbeamtin Murielle Mathieu überprüft ein großes quadratisches Paket aus China. Es soll zu einem Empfänger nach Bayern. Angemeldet wurde es mit einem Warenwert von 54 Euro, als `technisches Equipment´. Beim Öffnen kommt ein 1.270 Euro teurer 4K-Beamer zum Vorschein. Ein Betrugsversuch, wie er am Flughafen Lüttich täglich dokumentiert wird. `Das dürfte nicht als Päckchen angemeldet sein. Hier will man Umsatzsteuer und Zollgebühren sparen´, so die Zollbeamtin. Denn Päckchen unter einem Warenwert von 150 Euro müssen in Europa bei der Einfuhr keine Zollgebühr entrichten.“

Bei zollfreien Einfuhren werden aber von den Mitarbeitern des Zolls nur Stichproben kontrolliert. Im Jahr 2023 zählte die EU-Kommission zwei Milliarden zollfrei in die EU eingeführte Pakete. Die EU-Behörden gehen davon aus, dass 65 Prozent falsch waren, um Zollgebühren zu sparen.

Durch die lediglich stichprobenartigen Kontrollen besteht für die Versender auch die Möglichkeit, potenziell unsichere Produkte auf den Markt zu bringen. Nicht selten handelt es sich dabei um elektronische und Spielwaren.

Ein altbekanntes Problem: Lithium-Batterien sind brandgefährlich

Ein altbekanntes Problem begegnet uns auch in Spielwaren: brandgefährliche Lithium-Batterien. Solange Batterien mit Sorgfalt behandelt werden kann wenig passieren, aber gerade in Billigprodukten ist die Gefahr groß, dass an der falschen Stelle gespart wurde:

a) Ist eine Batterie beschädigt, kann Luft in die Batterie eindringen. Reagiert der Elektrolyt mit Sauerstoff kommt es zu einem Kurzschluss und möglicherweise zu einem Brand des schönen Modellautos, vielleicht auf dem Transportweg, vielleicht aber auch erst im Kinderzimmer.

b) Ein Lithium-Ionen-Akku sollte auch weder vollständig entladen, noch vor dem Transport komplett aufgeladen werden. Eine Überladung kann ebenso wie eine übermäßige Entleerung des Akkus zur Zersetzung des Elektrolyts an der Oberfläche der Kathode führen, was in der Batterie zu einem Temperaturanstieg führt. Beim Überladen werden zu viele Lithium-Ionen freigesetzt, was die Kathode destabilisiert. Diese überschüssigen Ionen bilden Dendrite an der Anode, was im schlimmsten Fall einen Kurzschluss verursachen kann. Bei einer Überentladung können sich auf der Kathodenoberfläche Kupferionen ansammeln, die ebenfalls einen Kurzschluss auslösen. Dies tritt auf, wenn die Kupferleiter oxidieren, da ständig Lithium-Ionen aus der Anode herausgelöst werden.

c) Waren, die einen Lithium-Ionen-Akku enthalten, müssen auf südlichen Schifffahrtsrouten vor Wärmeeinwirkung geschützt transportiert werden. Wenn sie sich über mehrere Tage bei zu hohen Außentemperaturen erhitzen, kann es zu einer Selbstentzündung kommen. Wenn aber der Versender die Ware, nur um Zollgebühren zu sparen, falsch deklariert hat, kommt es erst zu einer falschen Lagerung auf dem Schiff und schließlich zu einer Katastrophe – nicht im Kinderzimmer, aber schon auf dem Transportweg.

Die verantwortlichen Hersteller sind kaum zu fassen

Heute fungieren. Logistik-Unternehmen und Online-Plattformen wie Amazon, AliExpress und Temu defacto als Importeure für Waren, die zollfrei eingeführt werden. Sie kennen aber die Zusammensetzung und das Gefahrenpotenzial, das möglicherweise von ihren Waren ausgeht, kaum, zumal die großen Plattformen oft nur als Marktplätz für Hersteller dienen, die sie selbst wiederum nicht kontrollieren können. Im Schadensfall hat niemand Zugriff auf die Hersteller – wenn diese überhaupt bekannt sind.

Das Magazin Business Insider wies nach Testkäufen darauf hin, dass elektronisches Spielzeug, das von Temu in Europa vertrieben wurde, ohne die vorgeschrieben CE-Kennzeichnung in den Verkauf kam. Verschiedene EU-Richtlinien legen für zahlreiche Produkte Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen als Mindestanforderungen fest, die nicht unterschritten werden dürfen. Das CE-Kennzeichen zeigt an, dass ein Produkt diesen Bestimmungen genügt und nur mit einer solchen Kennzeichnung darf es innerhalb der Europäischen Union in den Handel gelangen.

Im Jahr 2023 testete der Schweizer Spielwarenverband Spielzeug, das über die chinesischen Onlineplattformen Temu und Shein gekauft worden war. Dabei fielen 15 von 18 Produkten durch. Die Untersuchungsergebnisse für Kinder-Fingerringe, 3D-Sticker, Kosmetik-Koffer und Silikon-Formen erinnerten eher an die Inhaltsbeschreibung von Chemielabor-Kästen, als an die hier genannten Spielwaren.

Was tun?

Das Problem sind weniger fehlende Vorgaben für die Produktion von sicheren Spielwaren und Elektronikprodukten. Das Problem sind die fehlenden Kontrollen bei der Einfuhr niedrigwertiger Produkte an den Grenzen. In Verbindung mit vorsätzlichen Falschdeklarationen durch kriminelle Billiganbieter führt dies zur Überschwemmung des Marktes mit gefährlicher Ware, auch mit Spielzeug, das auf Sondermülldeponien gehört und nicht in Kinderzimmer.

Die EU plant die Abschaffung der 150-Euro-Zollfreigrenze bis zum Jahr 2028. Dies soll zu zusätzlichen Einnahmen in Höhe von rund 750 Millionen Euro pro Jahr führen, Geld das dafür eingesetzt werden könnte, die Kontrollen an den Grenzen auszubauen. Die US-Administration und das Wahlkampfteam des frisch gewählten künftigen US-Präsidenten Donald Trump plant ähnliches in Bezug auf die De-Minimis-Regeln für den Import in die USA. Dies würde dann auch die Sicherheit in den Logistikketten erhöhen – und in den Kinderzimmern.

© Illustrations Michael Kausch with AI for Leschaco.com

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