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United Nations

Wie die Modellvorschriften der UN die Gefahrgut-Welt bewegen

Derzeit befinden sich die Modellvorschriften der Vereinten Nationen für den Gefahrguttransport in ihrer 23. Überarbeitung. Ein Sachverständigenausschuss des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen entwickelt seit Jahrzehnten diese „UN-Empfehlungen für den Transport gefährlicher Güter“ (TDG): Das sogenannte „Orange Book“ erscheint alle zwei Jahre neu. Es setzt Standards für eine sichere Logistik weltweit.

Der UN-Expertenunterausschuss für die Beförderung gefährlicher Güter (TDG) tagt im November zum letzten Mal in diesem Jahr. Die auf insgesamt vier Sitzungen getroffenen Beschlüsse werden im Dezember dem übergeordneten UN-Ausschuss zur endgültigen Annahme vorgelegt. Diese Änderungen werden dann in der 23. überarbeiteten Ausgabe der Modellvorschriften im zweiten Quartal 2023 veröffentlicht und bis 2025 umgesetzt. Sie berühren auch das UN Handbuch Prüfungen und Kriterien, das alle Kriterien, Prüfmethoden und Prüfverfahren beinhaltet, um gefährliche Güter überhaupt klassifizieren zu können. (Mit Beginn des neuen Jahres treten zunächst einmal die Bestimmungen in Kraft, die in der 22. überarbeiteten Ausgabe mit Veröffentlichung 2021 erschienen sind.)

Regularien für den Luftweg

Für den Luftverkehr hat das Panel für gefährliche Güter von der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) seine Arbeit bereits abgeschlossen. Die Ausgabe 2023-24 der Technischen Anweisungen der ICAO für die sichere Beförderung von gefährlichen Gütern im Luftverkehr wird am 1. Januar 2023 in Kraft treten und für zwei Jahre gültig sein.

Sie stellt das Rechtsdokument für die Beförderung gefährlicher Güter auf dem Luftweg dar und ist weltweit in den nationalen Rechtsvorschriften verankert. Neben den angepassten UN-Modellvorschriften umfasst sie auch umfangreiche luftfrachtspezifische Änderungen, die beispielsweise den Transport von Lithium-Batterien regelt, aber auch neue kompetenzbasierte Ausbildungsregeln, die bereits in anderen Luftverkehrsvorschriften enthalten sind.

Die Gefahrgutvorschriften der International Air Transport Association (IATA) sind das Arbeitsdokument für die meisten Luftverkehrsunternehmen. Sie werden jährlich aktualisiert, um dringenden Sicherheitsfragen und den zusätzlichen Anforderungen einiger Luftverkehrsunternehmen und Staaten Rechnung zu tragen. Die Aktualisierung 2023 wird alle Änderungen der Technischen Anweisungen der ICAO sowie weitere Änderungen enthalten. Sie wird in der 64. Ausgabe ebenfalls ab 1. Januar 2023 verbindlich sein. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Änderungen wird vor diesem Zeitpunkt herausgegeben.

Containership

Regularien für den Seeweg

Für die internationale Beförderung gefährlicher verpackter Güter auf dem Seeweg wurde die Änderung 41-22 des Internationalen Codes für die Beförderung gefährlicher Güter mit Seeschiffen (IMDG-Code) ausgearbeitet und vom Schiffssicherheitsausschuss (MSC) der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) angenommen. Auch hier stammen die Änderungen aus den neuesten UN-Modellvorschriften und umfassen zum Beispiel neue Bestimmungen für die Beförderung von ortsbeweglichen Tanks aus faserverstärktem Kunststoff (FRP).

Der IMDG-Code tritt in der Regel ein Jahr nach den anderen Verkehrsträgern in Kraft. Die Änderung 41-22 wird ab dem 1. Januar 2024 verbindlich. Die IMO fordert jedoch auf, sie bereits ab dem 1. Januar 2023 umzusetzen. Viele Akteure wickeln in internationalen Lieferketten intermodale Transporte ab. So werden sich die Änderungen in der Praxis schnell durchsetzen.

Europäische Bestimmungen als Treiber und Grundlage

Auch in den Ausgaben der europäischen Verordnungen – RID für den Eisenbahnverkehr, ADR für den Straßenverkehr und ADN für die Binnenschifffahrt – treten neue Änderungen am 1. Januar 2023 in Kraft. Sie haben sich, trotz individueller Anpassungen, weitgehend an die gegenwärtigen UN-Modellvorschriften gehalten. Die EU und das Vereinigte Königreich räumen der Industrie eine sechsmonatige Frist zur Anpassung ein.

Das ADR-Verfahren wurde von vielen Ländern übernommen und fand seinen Weg direkt in nationale Gesetzgebungen oder bildete die Grundlage für nationale Vorschriften. Es ist inzwischen so weitreichend akzeptiert, dass das ADR-Abkommen 2021 das Wort „europäisch“ aus seinem Titel strich. Südamerika und Mittelamerika dient das Abkommen als Basis für eine Angleichung der Straßenverkehrsvorschriften auf dem gesamten Kontinent. Und auch Australien überarbeitet sein Gefahrgutgesetz bis 2024 umfassend, basierend auf ADR und RID.

Spezialfall ADR

Ein Problem, mit dem insbesondere das ADR konfrontiert war, bestand darin, dass es bereits Vorschriften für FRP Tankcontainer hatte; die der UN-Expertenunterausschuss sogar als Grundlage für seine neuen Vorschriften verwendete, die jedoch etwas differierten. Die Ausgabe 2023 des ADR wird daher die neuen UN-Vorschriften übernehmen, aber auch das bestehende Regelwerk beibehalten. Bei GFK-Tanks dürfte das zu einem zweigeteilten Markt führen, wie es ihn bei konventionellen Tankcontainern schon seit vielen Jahren gibt: mit ADR/RID-Tankcontainern auf der einen Seite und ortsbeweglichen UN/IMO-Tanks auf der anderen.

Nordamerika kann sich (noch) nicht einigen

Während die Vorschriften für den Transport von Gefahrgut in Europa fast vollständig harmonisiert sind, sieht es in Nordamerika anders aus. Die US-amerikanischen Hazardous Materials Regulations (HMR) und die Regulierungen der kanadischen Transportation of Dangerous Goods (TDG) differieren stark. Bei so viel grenzüberschreitendem Verkehr behindert das die Wirtschaft.

Beide Länder bemühten sich in den letzten Jahren also um eine gegenseitige Anerkennung einiger Bestimmungen. Das US-Verkehrsministerium (DOT) versucht, mit dem internationalen System der zweijährlichen Überarbeitungen Schritt zu halten: Die Pipeline and Hazardous Materials Safety Administration (PHMSA) arbeitet daran, die internationalen Vorschriften bis zum 1. Januar 2023 umzusetzen, damit die HMR damit in Einklang gebracht wird.

Die PHMSA arbeitet zudem an Bestimmungen zur inländischen Beförderung von Lithium-Batterien auf dem Luftweg, an der Verbesserung intermodaler Abstimmungen, an der Angleichung von Bestimmungen für den Transport radioaktiver Stoffe an die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) und vielem mehr.

In Zusammenarbeit mit der Industrie ist HM-265A in der Entwicklung, ein offeneres Regelwerk, das sich mit umfassenderen Regulierungs- und Reforminitiativen befasst. Die Aktivitäten der TDG-Direktion sollen datengesteuerter und reaktionsfähiger werden, mit dem Ziel, eine stärker risikobasierte Regulierung zu erreichen.

In der Zwischenzeit arbeitet Transport Canada an einigen wichtigen Vorschriften wie der Einführung von kompetenzbasierten Ausbildungs- und Bewertungsanforderungen in die TDG-Verordnungen, die denen der internationalen Luftverkehrsvorschriften ähneln. Dies könnte eine Blaupause für andere Verkehrsträger werden. Eine Regelung ist für das zweite Quartal 2023 angepeilt.

Transport Canada legte außerdem Vorschläge zur Einführung eines Registrierungssystems vor: Betreiber von Anlagen, die mit der Beförderung, dem Umschlag und der Versendung gefährlicher Güter befasst sind, müssen sich registrieren lassen und Daten über ihre Tätigkeiten übermitteln. Eine endgültige Regelung wird voraussichtlich 2023 im Amtsblatt Kanadas, Teil II, veröffentlicht.

Auch eine allgemeinere Aktualisierung der TDG-Verordnungen in Anlehnung an internationale Vorschriften ist in Arbeit. Erste Ergebnisse sind im zweiten Quartal 2023 zu erwarten.

China gleicht sich an

China gleicht ebenfalls seinen Rechtsrahmen stärker an internationale Vorschriften und Normen an. Diese Änderungen werden voraussichtlich noch in diesem Jahr in einer endgültigen Fassung erscheinen.

Quellen:

Illustrationen © vacant – stock.adobe.com und © Kalyakan – stock.adobe.com

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